Interview zur Zeitumstellung

Wenn uns eine Stunde Zeit geklaut wird

Sonntagnacht wird die Uhr auf die Sommerzeit umgestellt. Wie wirkt sich das auf den menschlichen Organismus aus? Welche Folgen kann Müdigkeit für den Straßenverkehr haben? Und wie können wir trotz Zeitumstellung fit bleiben? Antworten darauf gibt Dr. Hans-Günter Weeß, Leiter des Schlafzentrums am Pfalzklinikum im Interview.
26.03.2020
0

Hinzugefügt zu deinem Warenkorb

Interview zur Zeitumstellung

Wenn uns eine Stunde Zeit geklaut wird

Sonntagnacht wird die Uhr auf die Sommerzeit umgestellt. Wie wirkt sich das auf den menschlichen Organismus aus? Welche Folgen kann Müdigkeit für den Straßenverkehr haben? Und wie können wir trotz Zeitumstellung fit bleiben? Antworten darauf gibt Dr. Hans-Günter Weeß, Leiter des Schlafzentrums am Pfalzklinikum im Interview.

Sonntagnacht wird die Uhr auf die Sommerzeit umgestellt. Wie wirkt sich das auf den menschlichen Organismus aus? Welche Folgen kann Müdigkeit für den Straßenverkehr haben? Und wie können wir trotz Zeitumstellung fit bleiben? Antworten darauf gibt Dr. Hans-Günter Weeß, Leiter des Schlafzentrums am Pfalzklinikum im Interview.

Herr Dr. Weeß, warum sind wir müde, wenn die Uhr auf die Sommerzeit umgestellt wird?

Dr. Hans-Günter Weeß (HGW): Ganz einfach: Nachts wird uns eine Stunde Schlaf geklaut. Gleichzeitig versetzt uns die Umstellung in der Jahreszeit eine Stunde zurück. Denn durch die Zeitumstellung ist es zumindest im Frühjahr morgens beim Aufstehen wieder dunkler. In dieser sogenannten Dunkelphase wird mehr Melatonin ausgeschüttet, das uns müde macht. Es kommen also bei der Umstellung auf die Sommerzeit zwei Faktoren zusammen, die für Müdigkeit sorgen.

Wie wirkt sich das dann auf den Straßenverkehr aus?

HGW: Das Unfallrisiko kann am Tag oder in der Woche nach der Zeitumstellung höher sein. Es gibt auch Studien, die darauf hinweisen, dass das kardiale Risiko, also das einer Herzerkrankung, in den Tagen nach der Zeitumstellung steigt.

Gibt es Menschen, die mehr unter der Zeitumstellung leiden? Wenn ja, wer ist das?

HGW: Besonders schwer ist die Umstellung für Menschen mit einem starren Schlaf-Wach-Rhythmus. Das sind meist Ältere, Kinder oder auch Menschen mit Schlafstörungen. Bei letzteren potenzieren psychische Faktoren häufig das Problem. Einige Menschen haben schon an den Tagen vor der Zeitumstellung große Angst vor Schlafproblemen. Häufig stellen sie sich dann auch tatsächlich ein.

Was kann man tun, um besser mit der Umstellung auf die Sommerzeit zurecht zu kommen?

HGW: Idealerweise sollte man vier bis sechs Tage vor der Zeitumstellung beginnen, sich an sie zu gewöhnen. Jeden Tag zehn bis 15 Minuten früher aufstehen und entsprechend früher ins Bett gehen hilft in der Regel sehr gut. Grundsätzlich ist es für einen gesunden Schlaf auch gut, sich viel an der frischen Luft aufzuhalten. Die Helligkeit unterdrückt das Melatonin. Es wird dann erst abends, wenn es dunkel wird, vermehrt ausgeschüttet. So kann es zu einem erholsamen Schlaf beitragen.Das große Handicap im Sommer ist, dass es länger hell ist. Tagsüber wird das Melatonin zwar unterdrückt, abends kann es aber nicht ausgeschüttet werden, weil es lange hell ist. Da der Wecker morgens wieder unbarmherzig klingelt, leiden wir in diesen Monaten quasi permanent unter Schlafmangel.

Tipps, um wach und fit in die Sommerzeit zu starten

Was kann man tun, wenn einen die Müdigkeit während der Autofahrt übermannt?

HGW: Grundsätzlich hilft es, sich ausgeschlafen hinters Steuer zu setzen. Hilfreich können auch Wechselduschen am Morgen sein. Sie bringen den Kreislauf in Schwung. Zusätzlich hilft viel Licht am Morgen, um wach zu werden. Wer unterwegs müde wird, sollte einen Powernap von zehn, maximal 20 Minuten einlegen. Alternativ kann auch eine Pause mit Bewegung, z. B. Kniebeugen, helfen das Herz-Kreislauf-System zu aktivieren um für eine gewisse Zeit wieder fit zu werden.

Wäre es sinnvoll den Sport bspw. vom Abend auf den Morgen zu verlegen, um dann wacher zu sein?

HGW: Sport am Morgen empfehle ich nur Lerchen, also Menschen, die in den frühen Stunden bereits ausreichend geschlafen haben. Alle anderen entziehen sich durch früheres Aufstehen noch mehr den wichtigen Schlaf.

Über Dr. Hans-Günter Weeß

Dr. Hans-Günter Weeß leitet das interdisziplinäre Schlafzentrum am Pfalzklinikum in Klingenmünster. Der Diplom Psychologe, Psychologische Psychotherapeut und Somnologe (DGSM) ist zudem Inhaber der Akademie für Schlafmedizin (AfS). Dr. Weeß unterrichtet an verschiedenen Hochschulen und ist im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM), weiterhin der Vorsitzende der Rheinland-Pfälzischen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung (RheiGSM). In der Vergangenheit war er beratend für die DVR-Kampagne „Vorsicht Sekundenschlaf“ tätig. Aktuell ist er zudem Mitglied in der Expertenkommission der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt): Kapitel Tagesschläfrigkeit der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung. Er ist Autor von Fachbüchern und veröffentlicht eigene wissenschaftliche Studien in Fachzeitschriften.