Beschluss

Sicherheit an Bahnübergängen von Eisenbahnen erhöhen

14.05.2018
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Beschluss

Sicherheit an Bahnübergängen von Eisenbahnen erhöhen

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    Sicherheit an Bahnübergängen von Eisenbahnen erhöhen

Deutscher Verkehrssicherheitsrat e.V. – 2018

Erläuterung

Unfälle an Bahnübergängen sind gemessen am Gesamtunfallgeschehen im Straßenverkehr (2.585.191 Unfälle in 2016, 3.206 mit Getöteten) relativ selten. Sie sind jedoch in der Regel besonders schwer. In Deutschland kam es 2016 zu 995 Unfällen (Straßen- und Eisenbahn) mit Personenschaden auf schienengleichen Wegeübergängen, bei denen 46 Menschen getötet und 1.367 verletzt wurden, 282 davon schwer1. Bezogen auf den Eisenbahnverkehr bilden Bahnübergänge jedoch einen Schwerpunkt im Unfallgeschehen: Zwischen 30 und 40 Prozent aller Unfälle mit Personenschäden im Eisenbahnverkehr ereignen sich an Bahnübergängen; davon ca. 30 Prozent an nicht technisch gesicherten Anlagen.

Bahnübergänge werden in Deutschland in der Regel mit einem Verkehrszeichen (Andreaskreuz)2gekennzeichnet. Die Sicherung eines Bahnübergangs erfolgt nach der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) und den entsprechenden technischen Regelwerken der Eisenbahnen (DB-Ril 815, BüV-NE). Mögliche Sicherungsarten sind:

  • nicht technische Sicherung (ggf. Andreaskreuz, durch übersicht auf die Bahnstrecke und/oder Pfeifsignale),
  • Blinklicht bzw. Lichtzeichen allein (für neue Anlagen nicht mehr zugelassen, jedoch im Bestand noch vorzufinden),
  • Blinklicht bzw. Lichtzeichen mit Halbschranke,
  • Blinklicht bzw. Lichtzeichen mit Vollschranke,
  • Vollschranken allein oder
  • Postensicherung.

Die Art der Sicherung ist dabei im Wesentlichen abhängig von der Klassifizierung der Eisenbahnstrecke als Haupt- oder Nebenbahn, der Anzahl der Gleise, der Verkehrsstärke auf der Schiene und der Straße, sowie den zulässigen Höchstgeschwindigkeiten.

Verhalten am Bahnübergang

Die allgemeinen Verhaltensregeln der Straßenverkehrsteilnehmenden an einem Bahnübergang sind in der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) festgelegt. Gemäß §19 der StVO haben Schienenfahrzeuge auf Bahnübergängen mit Andreaskreuz (Zeichen 201) und auf Bahnübergängen über Fuß-, Feld-, Wald- oder Radwege immer Vorrang. Der Straßenverkehr darf sich solchen Bahnübergängen nur mit mäßiger Geschwindigkeit nähern. Wer ein Fahrzeug führt, darf an Bahnübergängen vom Zeichen 151, 156 (Gefahrzeichen vor übergängen von Schienenbahnen) an bis einschließlich des Kreuzungsbereichs von Schiene und Straße Kraftfahrzeuge nicht überholen.

Fahrzeuge haben vor dem Andreaskreuz, zu Fuß Gehende in sicherer Entfernung vor dem Bahnübergang zu warten, wenn

  1. sich ein Schienenfahrzeug nähert,
  2. rotes Blinklicht oder gelbe oder rote Lichtzeichen gegeben werden,
  3. die Schranken sich senken oder geschlossen sind,
  4. ein Bahnbediensteter Halt gebietet oder
  5. ein hörbares Signal, wie ein Pfeifsignal des herannahenden Zuges, ertönt.

Unfallursachen

Die meisten Unfälle an Bahnübergängen geschehen durch bewusste und unbewusste Regelmissachtung3. Halbschranken werden umgangen und umfahren, Lichtsignale missachtet, der Bahnübergang nicht mit mäßiger Geschwindigkeit (was in der Regel mindestens die Einhaltung der angeordneten zulässigen Höchstgeschwindigkeit bedeutet4) befahren oder es wird auf dem Bahnübergang rangiert.

Aber auch eine schlechte Erkennbarkeit, spitzwinklige Querungen, Kuppen, fehlende Sichtbeziehungen, Kreuzungen und Einmündungen im direkten Umfeld des Bahnübergangs oder schlechte Straßenoberflächen führen zu Unfällen an Bahnübergängen.

Sicherungsarten

Die sicherste Art der Kreuzung einer Straße mit einer Gleistrasse ist die Unter- oder überführung; hier kann es zu keinen Konflikten kommen. Allerdings sind niveaufreie Kreuzungen mit hohen Investitionskosten verbunden und der Flächenbedarf erhöht sich gegenüber höhengleichen Lösungen. Die Betriebs- und Unterhaltungskosten sind hingegen geringer als bei einer höhengleichen Lösung mit einer technischen Sicherung. Auch ein Vollabschluss mit Schranken, die ein Umfahren oder Umgehen wirksam verhindern, bietet eine hohe Sicherheit. Diese Sicherungsart ist jedoch mit hohem Aufwand verbunden, da vor Zulassung einer Zugfahrt über den Bahnübergang eine überwachung des Gefahrenbereichs erforderlich ist. Dies verursacht hohe Kosten und erfordert längere Schließzeiten. Halbschranken können mit einem geringeren technischen Aufwand eingerichtet werden. Sie bieten den Vorteil, dass der Gefahrraum von den Straßenverkehrsteilnehmenden auch bei geschlossener Schranke jederzeit noch verlassen werden kann. Zudem sind die Schließzeiten und somit die Wartedauer für die Straßenverkehrsteilnehmenden deutlich geringer. Halbschranken bieten aber keinen wirksamen Schutz gegen mutwilliges Umfahren oder Missachtung. Eine Bahnübergangssicherung mit Lichtzeichen oder einfache Beschilderung mit einem Andreaskreuz ist zwar die preiswertere Möglichkeit, bietet aber den geringsten Widerstand gegen bewusste Missachtung und kann vor allem bei schlechter Erkennbarkeit und eingeschränkten Sichtbedingungen unbewusst übersehen werden. Diese Technik kommt laut Regelwerk insbesondere an Nebenstrecken zum Einsatz. Die Verkehrsdichte sowohl auf der Schiene als auch der kreuzenden Straße ist somit vergleichsweise gering.

Grundsätzlich sollten Bahnübergänge so gestaltet sein, dass sowohl ein bewusster Regelverstoß erschwert als auch ein übersehen verhindert wird.

Dabei sind in jedem Einzelfall die Maßnahmen auf Sicherheitswirkung und Kosteneffizienz zu prüfen. Kosten-Nutzen-Analysen können dabei helfen, die langfristig effizienteste Lösung hinsichtlich Verkehrsablauf, Verkehrsregelung und Verkehrssicherheit an einem Bahnübergang zu finden.

Beschluss

Um die Sicherheit an Bahnübergängen zu verbessern, empfiehlt der Deutsche Verkehrssicherheitsrat:

  • Zur Verbesserung der Einhaltung der Verkehrsregeln an Bahnübergängen mit Halbschranken oder Lichtzeichenanlage (ohne Halbschranken) sollte der Einsatz von Rotlichtüberwachungsanlagen bzw. die bauliche Trennung der Richtungsfahrbahnen im Bereich des Bahnübergangs durch Fahrbahnteiler untersucht und die Erfahrung hinsichtlich ihrer Wirkungen gesammelt werden. Die Bundesländer sollen ein entsprechendes Modellprojekt kurz- bis mittelfristig in Kooperation mit der DB Netz AG oder den NE-Bahnen initiieren.
  • Es sollte geprüft werden, ob und wie der Gefahrenbereich des Bahnübergangs auch bei Halbschranken oder alleiniger Sicherung durch Lichtzeichen bzw. Blinklicht so überwacht wird, dass ein Unfall vermieden werden kann, falls der Bahnübergang nicht geräumt ist.
  • Die Kampagne „sicher drüber“ sollte durch weitere Aufklärungsarbeit unterstützt werden (z.B. durch regelmäßige Integration des Themas in die öffentlichkeitsmaßnahmen von DVR-Mitgliedern).
  • Wegen der ständig zunehmenden Verkehrsdichte auf den Straßen ist die technische Sicherung (Vollschranken, Halbschranken, Blinklicht- oder Lichtzeichenanlagen) der bisher nicht so gesicherten Bahnübergänge anzustreben. Besonders ist darauf zu achten, ob Bahnübergänge infolge Zunahme der Verkehrsstärke einer technischen Sicherung bedürfen (Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung - VwV- StVO zu Zeichen 201 „Andreaskreuz“).
  • Die Eisenbahn- Bau- und Betriebsordnung (EBO) sollte dahingehend geändert werden, dass nicht technisch gesicherte Bahnübergänge in der Regel nur noch an Feld- und Waldwegen, an Fußwegen, an Privatwegen ohne öffentlichen Verkehr, die als solche gekennzeichnet sind, sowie an anderen Straßen und Wegen über Nebengleise (wenn dort die Bahnübergänge für das Befahren mit Eisenbahnfahrzeugen durch Posten vom Straßenverkehr freigehalten werden) zulässig sind. Alle anderen übergänge sollten technisch gesichert werden. Auf Bahnübergangssicherung durch Pfeifsignal sollte grundsätzlich verzichtet werden.
  • Zur Vermeidung von Unfällen an Bahnübergängen sollte grundsätzlich deren Rückbau und Ersatz durch Unter-/überführungen oder zumindest der Einsatz einer Vollschranke (Vollabschluss) angestrebt werden. Dies betrifft insbesondere die Kreuzungen mit Hauptbahnen. Aber auch an Nebenbahnen sollte geprüft werden, ob eine Vollschranke zur Verbesserung der Sicherheit möglich und sinnvoll ist.
  • Die Entscheidung, mit welcher Sicherungsart ein Bahnübergang ausgestattet wird, sollte nicht nur von betrieblichen Kriterien, sondern auch von einer Gefahrenabschätzung abhängen. Dies sollte im Eisenbahnkreuzungsgesetz (EBKrG) verankert werden.
  • Die Straßenverkehrsbehörden sind aufgefordert, die gemäß Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung – VwV-StVO vorgeschriebenen Bahnübergangsschauen regelmäßig und nachweislich alle zwei Jahre mit allen beteiligten Parteien durchzuführen. Der Leitfaden zur Durchführung von Bahnübergangsschauen von 2002 sollte zeitnah aktualisiert und in allen Ländern verpflichtend eingeführt werden.
  • Die Straßenbaulastträger und Straßenverkehrsbehörden sollten regelmäßig für die straßenseitigen Sicherheitsaspekte an Bahnübergängen sensibilisiert bzw. geschult werden.
  • Die Anpassung des Andreaskreuzes in Form und Farbe an die Vorgaben des Wiener übereinkommens ist zu verfolgen.
  • Das BMVI wird aufgefordert, ein einheitliches Regelwerk für alle Bahnübergänge zu verabschieden.

gez.
Dr. Walter Eichendorf
Präsident


1 Verkehrsunfälle 2016, Fachserie 8 Reihe 7, Statistisches Bundesamt, 2017, Tabelle 2.9
2 Das in Deutschland verwendete Verkehrszeichen 201 (Andreaskreuz) entspricht in Form und Farbe nicht den Vorgaben des Wiener Übereinkommens.
3 Sicherheit an Bahnübergängen, Unfallforschung der Versicherer, 2017, www.udv.de
4 StVO, Textausgabe mit Erläuterungen, Bouska/Leue, 24. Auflage