Verhinderung von Täuschungen bei der theoretischen Fahrerlaubnisprüfung
- Junges Fahren
Deutscher Verkehrssicherheitsrat – 2019
Beschluss
Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) fordert:
- Zur Feststellung der Prüfungsreife von Fahrschülerinnen und Fahrschülern sind im Rahmen der Mindestausbildungsstunden konsequent Lernkontrollen durchzuführen. Dies ergibt sich bereits aus der Fahrschüler-Ausbildungsordnung (FahrSchAO). Damit würden Bewerbende wirklich erst dann zur Fahrerlaubnisprüfung angemeldet, wenn die Prüfungsreife gegenüber dem Fahrlehrenden nachgewiesen worden ist. Vor Erlangung der Prüfungsreife könnten Defizite des Fahrschülers bzw. der Fahrschülerin gezielter bearbeitet werden.
- Es sollten rechtliche Voraussetzungen geschaffen werden, damit ein Täuschungsversuch in der Fahrerlaubnisprüfung in besonders schweren Fällen, z.B. wenn die Täuschungen in organisierten Zusammenhängen verwirklicht werden, zukünftig als Straftatbestand angesehen werden kann – auch für Beihilfe Leistende.
Die Fahrerlaubnisverordnung (FeV) sollte in §11 Abs. 3 Nr. 3 FeV zur Klarstellung um den Tatbestand der Täuschungshandlungen ergänzt werden.1 Den unteren Verwaltungsbehörden würde damit die Möglichkeit gegeben, in noch stärkerem Maße Eignungsuntersuchungen für die Beteiligten aufgrund des Verdachts charakterlicher Mängel anzuordnen. - Ein Täuschungsversuch (z.B. Stellvertretungsprüfung bzw. Stellvertretungsprüfung mit Techniknutzung) sollte wirksame Sanktionen nach sich ziehen, wie z.B. eine länger andauernde Sperrfrist für unlautere Bewerbende. Im Falle einer erneuten Prüfung nach vorheriger Täuschung sollte durch die Fahrerlaubnisbehörde zwingend die Durchführung einer Einzelprüfung angeordnet werden.
Die Täuschungshandlung sollte für sämtliche beteiligten Personen zu einem strafrechtlichen und/oder ordnungswidrigen Handeln erklärt und in § 75 FeV aufgenommen werden.
Zudem sollte diese Ordnungswidrigkeit wegen ihrer potenziellen Gefährlichkeit für die Verkehrssicherheit in die Anlage 13 zur FeV aufgenommen und wegen ihrer Relevanz für die Fahreignung (charakterliche Ungeeignetheit) mit zwei Punkten im Fahreignungsregister bewertet werden. Das Bußgeld sollte eine abschreckende Wirkung entfalten und die Verwirklichung des Tatbestandes sollte mit 500 Euro Bußgeld sowie einem Monat Fahrverbot – bewehrt werden. - Ergänzend zur bestehenden Wartefrist kann der Erwerb einer Fahrerlaubnis in allen Täuschungsfällen vorläufig versagt werden. Die Versagung wird bei verhängter mehrmonatiger Sperrfrist im Zentralregister beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) gespeichert und wäre ein sehr gutes Mittel zu verhindern, dass Bewerbende nach einer verhängten Sperrfrist diese durch einen neuen Antrag bei ei-ner anderen Behörde umgehen.
- In Fällen der nachgewiesenen Täuschung sollten die Möglichkeiten der anlassbezogenen Fahrschulüberwachung konsequent angewendet werden.
Erläuterung
Immer mehr Menschen, die sich um eine Fahrerlaubnis bemühen, bedienen sich unerlaubter Hilfsmittel und begehen damit Täuschungshandlungen, um die Fahrerlaubnisprüfung zu bestehen. Als Täuschung gilt, wenn sich ein Kandidat oder eine Kandidatin zur Erbringung einer Leistung unerlaubter Hilfe bedient. In diesen Fällen können die tatsächlichen Kompetenzen der Bewerbenden weder überprüft noch bewertet werden. Dies kann negative Konsequenzen für die Verkehrssicherheit zum Beispiel durch verkehrsunsicheres Verhalten und eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmender nach sich ziehen.
Die absoluten Zahlen von erkannten Täuschungsversuchen sind zwar im Verhältnis zur Zahl der theoretischen Fahrerlaubnisprüfungen (TFEP) als sehr gering zu bezeichnen (nach eigenen Schätzungen 2.000 bis 3.000 erkannte Täuschungsversuche bei 1,8 Mio. TFEP im Jahr), allerdings ist der Anstieg in den letzten Jahren dramatisch. Ausgehend vom Jahr 2014 stiegen bis 2018 die von der TÜV/DEKRA arge TP21 erfassten Fälle auf mehr als das Sechsfache. Obendrein muss von einer hohen Dunkelziffer nicht entdeckter Täuschungsversuche ausgegangen werden.
Art der Täuschungshandlungen
Am häufigsten kommen Täuschungsversuche als „Technikbetrug“ vor. Dieser hat seit 2014 mit einem Anstieg um mehr als das Fünffache rasant zugenommen. Dabei kommen technische Hilfsmittel, z.B. kleinste Kamerasysteme, zum Einsatz, die – z.B. in der Kleidung oder in Brillengestellen verborgen – Aufnahmen der Prüfung über drahtlose Kommunikationssysteme an einen Empfänger bzw. eine Empfängerin senden. Die Antwort erfolgt dann über kleinste Kopfhörer im Ohr des zu Prüfenden. Als zweite wichtige Täuschungsform sind die sogenannten „Stellvertretungsprüfungen“ zu nennen. Hierbei erscheint „stellvertretend“ für den zu Prüfenden eine andere Person zur Prüfung. Diese versucht, durch äußerliche Ähnlichkeit mit dem / der eigentlichen Kandidaten / Kandidatin) Identitätskontrollen zu überwinden. Bei erkannten „Stellvertretungsprüfungen“ ist die statistische Zunahme mit einer Steigerung um mehr als das Siebenfache seit dem Jahr 2014 noch erheblicher.
In der überwiegenden Zahl der Fälle handelt es sich nicht nur um die Täuschungshandlung einzelner Bewerbender, vielmehr wurden in verschiedenen Fällen organisierte Strukturen im Hintergrund nachgewiesen.
Rechtliche Folgen
Laut § 18 Abs. 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) gilt bei einer entdeckten Täuschung die Prüfung als nicht bestanden und darf nicht vor Ablauf von mindestens sechs Wochen wiederholt werden. Die vorsätzliche und mit erheblichem Aufwand durchgeführte Täuschungshandlung stellt nach aktueller Rechtslage jedoch weder ein strafbares noch ordnungswidriges Verhalten dar.
Maßnahmen zur Verhinderung von Täuschung
Verschiedene Maßnahmen zur Verhinderung von Täuschungsversuchen bei der TFEP sind möglich und z.T. auch bereits international erprobt.
» Feststellung der Prüfungsreife
Die konsequente Beschränkung des Prüfungszugangs auf Personen, von deren Prüfungsreife sich der Fahrlehrer durch geeignete Methoden überzeugt hat, würde die Wahrscheinlichkeit des Bestehens der Kandidatinnen und Kandidaten deutlich erhöhen und damit die Motivation zum Versuch eines kostenintensiven und ggf. straf- oder sperrfristbewehrten Täuschung verringern. Bereits nach §6 Absatz 1 Satz 1 FahrschAusbO ist der Abschluss auch der theoretischen Ausbildung nur dann zulässig, wenn Fahrlehrende überzeugt sind, dass Bewerbende die Ausbildungsziele nach §1 FahrschAusbO erreicht haben. Es existieren jedoch keine Vorgaben, wie Fahrlehrende diese Einschätzung treffen sollen.
Obwohl 66% der Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer z.B. eine Probeprüfung für sinnvoll halten, berichten nur 25,2% der Fahrschülerinnen und Fahrschüler davon, diese auch absolviert zu haben.2
» Maßnahmen vor und während der Prüfung
Vor der eigentlichen Prüfung können Zugangskontrollen mit Abgleich des Passbildes und einer im Antragsverfahren erfassten Unterschrift (United Kingdom) oder des Fingerabdrucks (Lettland) Stellvertretungsprüfungen verhindern. Das Wegschließen der persönlichen Gegenstände (Niederlande, UK) und die stärkere Sensibilisierung des Prüfpersonals für auffällige Verhaltensweisen von Prüflingen können technischen Betrug erschweren. Die bereits praktizierte halbjährliche Aktualisierung der Prüfungsbogenzusammenstellung die die Rollierung der Antwort- und Fragenreihenfolge bei jedem Prüfbogen erschwert zusätzlich schematisches Lernen.
Während der Prüfung kann technischer Betrug durch einzeln abgetrennte Prüfplätze mit Videoüberwachung (Niederlande, UK) aufgedeckt werden.
» Maßnahmen nach der Prüfung
Nach der Prüfung hilft die Suche nach Lösungsmustern und auffälligem Antwortverhalten Täuschungsversuche aufzudecken. Gleichzeitig kann die Verschärfung der Sanktionen für nachgewiesene Täuschung (Österreich) abschreckend auf Prüflinge und kriminelle Strukturen wirken.
gez.
Prof. Dr. Walter Eichendorf
Präsident
1 Neuer Text dann: „3. bei Täuschungshandlungen oder erheblichen Auffälligkeiten, die im Rahmen einer Fahrerlaubnisprüfung nach §18 Abs. 3 mitgeteilt worden sind,“
2 Moving Fakten des Monats 4/2019