Psychologische Anforderungen an die Nutzung automatisierter Fahrfunktionen
- PKW
- Junges Fahren
Einführung
Assistenz und Automation erscheinen aus Sicht des Deutschen Verkehrssicherheitsrats als vielversprechende Möglichkeit, das Bemühen um die Vision Zero, einen Straßenverkehr ohne schwer Verletzte oder Getötete, zu unterstützen. Wichtige Aspekte der Unfallvermeidung oder -minderung können durch sie adressiert werden. Mit dem Ziel, diese Sicherheitspotenziale sinnvoll auszuschöpfen, hat der DVR in seinen Beschlüssen vom 08. November 2017 zu automatisierten Fahrfunktionen und vom 28. Oktober 2020 zu Fahrerassistenzsystemen und automatisierten Fahrfunktionen in der Fahrausbildung und Fahrerlaubnisprüfung zu den gegenwärtig offenen Fragen Stellung genommen. Er bezog sich auf alle assistierende und automatisierte Systeme. Mit der vorliegenden Stellungnahme geht er auf die Anforderungen an die Nutzenden derjenigen künftigen automatisierter Systeme ein, in denen das Fahrzeug gemäß Straßenverkehrsgesetz die Fahraufgabe übernimmt und die Fahrenden sich zu-mindest zeitweise fahrfremden Tätigkeiten zuwenden können1.
Empfehlungen
- Der DVR fordert das Bundesministerium für Digitales und Verkehr im Rahmen der Rechtssetzung auf, alle relevanten insbesondere verkehrspsychologischen Aspekte im Zusammenhang mit den neuen Anforderungen an die Nutzung bzw. das Führen von Fahrzeugen mit automatisierten Fahrfunktionen umfänglich zu berücksichtigen.
-
Der DVR fordert die Einrichtung einer unabhängigen psycho-logischen Expertenkom-mission zu Fragen der Nutzung bzw. Führung automatisierter Fahrfunktionen unter Berücksichtigung aller Erfordernisse, die sich aus den verschiedenen Aspekten der Verkehrspsychologie ergeben. Dies sind:
- Fahrer-Fahrzeug-Interaktion (Gestaltung der Schnittstelle Mensch-Maschine)
- Befähigung (Fahrausbildung, Prüfung, Weiterbildung, Einweisung/Unterweisung)
- Eignung (Mindestvoraussetzungen, Ausschlüsse, Nachschulungen)
Erläuterung zu den Empfehlungen der Vorstandsvorlage „Psychologische Anforderungen an die Nutzung automatisierter Fahrfunktionen“ vom 15.03.2022 des Vorstandsausschusses Erwachsene
Zusammenfassung
Die verkehrspsychologische Fundierung der Gestaltung und Einführung automatisierter Fahrfunktionen ist bisher noch unzureichend.
- Die technische Aufgabenzuweisung zwischen Fahrenden und Fahrzeug bei automatisierten Fahrfunktionen korrespondiert nicht mit der daraus resultierenden psychi-schen Aufgabenqualität und -schwierigkeit für die Fahrenden.
- Automation entbindet nicht von dauerhafter Überwachung, solange die Fahrenden Fahrzeugführende im Sinne des StVG bleiben. Das bedeutet, die Fahrenden müssen jederzeit in der Lage sein die Fahraufgabe zu übernehmen, wenn sie dazu aufgefordert werden.
- Automatisierte Fahrfunktionen müssen so gestaltet sein, dass sie von allen fahrgeeigneten Personen sicher zu bedienen sind. Die geistigen Anforderungen an Bewerber für die Erteilung oder Verlängerung einer Fahrerlaubnis zur Personenbeförderung beispielsweise bedürfen schon für das manuelle Fahren einer präziseren, evidenzba-sierten Beschreibung. Grundsätzlich müssen für das automatisierte Fahren zusätzlich die Anforderungen einer Überwachungsaufgabe berücksichtigt werden. Die derzeitigen Anforderungen an die charakterliche Eignung behalten weiterhin ihre Gültigkeit.
- Fahrerlaubniserwerb und -prüfung bedürfen Kriterien, die eine Befähigung zur Verkehrsteilnahme mit grundsätzlich allen am Markt verfügbaren automatisierten Fahrfunktionen sicherstellen. Gleichzeitig muss abgewogen werden, welche der Anforderungen mittels Fahrausbildung überhaupt adressierbar sind.
- Grundsätzlich liegt es in der Verantwortung der Hersteller, sichere und einfach zu bedienende Systeme in Fahrzeugen bereitzustellen.
- Beim automatisierten Fahren müssen für die Fahrzeugführung zwingend relevante Informationen zwischen Fahrer und Fahrzeug ausgetauscht werden. Für die Gestaltung der Fahrer-Fahrzeug Interaktion, insbesondere der sicherheitsrelevanten Fahrfunktionen bedarf es einheitlicher Kriterien und Richtlinien.
- Es bedarf einer unabhängigen Expertenkommission, die verkehrspsychologische Expertise in den Bereichen Eignung, Befähigung und Fahrer-Fahrzeug Interaktion in Form von Anforderungen an die Entwicklung und Einführung automatisierter Fahrfunktionen zur Verfügung stellt, um die zunehmende Fahrzeugautomatisierung im Sinne der Verkehrssicherheit zu gestalten.
1. Kernanliegen der Vorstandsvorlage
Assistenz und Automation erscheinen aus Sicht des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) als vielversprechende Chance, das Bemühen um die Vision Zero, einen Straßenverkehr ohne schwer Verletzte oder Getötete, zu unterstützen. Daher hat der DVR den Beschluss „Psychologische Anforderungen an die Nutzung automatisierter Fahrfunktionen“ gefasst2. Der Beschluss verweist auf die bisher unzureichende verkehrspsychologische Fundie-rung der Gestaltung und Einführung automatisierter Fahrfunktionen. Er fordert die Einrichtung einer unabhängigen Expertenkommission, die diese verkehrspsychologische Expertise in Form von Anforderungen an die Entwicklung und Einführung automatisierter Fahrfunktionen zur Verfügung stellt. Nur dadurch wird es gelingen, die Sicherheitspotenziale automatisierter Fahrfunktionen in der Praxis auch auszuschöpfen.
Diese Erläuterungen ergänzen die Empfehlungen des Beschlusses „Psychologische Anforderungen an die Nutzung automatisierter Fahrfunktionen“. Im Folgenden werden die psychologischen Grundlagen von technischer Automation im Allgemeinen und automatisierten Fahr-funktionen im Speziellen dargestellt und für den Beschluss erschlossen und nutzbar gemacht.
2. Ausgangslage
Die Umsetzung des automatisierten Fahrens wurde und wird derzeit intensiv diskutiert, u.a. im Rahmen des Runden Tisch „Automatisiertes Fahren“ als zentrale Plattform des BMDV. Dies erfolgt im Rahmen der „Strategieumsetzung zum Automatisierten und Vernetzten Fahren“ der Bundesregierung. Dazu wurden die Handlungsfelder Infrastruktur, Recht, Innovation, Vernetzung sowie Cybersecurity und Datenschutz definiert. Auffallend ist der Fokus auf technische und juristische Aspekte. Zwar wurden auch offene Forschungsfragen zum Faktor Mensch benannt3. Die Konsequenzen für die Fahrenden und die systemischen Auswirkungen auf das Fahrer-Fahrzeug System werden bislang aber nur punktuell behandelt.
In Bezug auf die Verkehrssicherheit wird mit Hinblick auf automatisierte Fahrfunktionen argumentiert, dass die Reduzierung des Einflusses der Fahrenden auf das Fahrgeschehen zwangsläufig zu einem Sicherheitsgewinn führen muss. Die Fahrenden werden als fehleranfällige Komponente im Mensch-Maschine-System betrachtet. Die Fähigkeiten der Fahrenden, Konflikte und kritische Situationen im Straßenverkehr zu antizipieren und zu entschär-fen, bevor es zu einem Unfall kommt, stellen aber einen erheblichen Beitrag zur Verkehrssicherheit dar. Besonders in kritischen Situationen ohne bekannte, eindeutige Routinen oder mit mehreren Handlungsoptionen, sind Menschen, insbesondere als erfahrene Fahrende, sehr leistungsstark. Der noch selbst das Fahrzeug führende Mensch verursacht statistisch gesehen alle 300 Jahre einen Unfall mit Personenschaden4. Dies ist der Benchmark, der mittels Fahrzeugautomatisierung erreicht und übertroffen werden muss, um einen positiven Beitrag zur Verkehrssicherheit zu leisten. Des Weiteren wird bei dieser Argumentation außer Acht gelassen, dass die zurzeit entwickelten Automationssysteme nur den partiellen Betrieb während einer Fahrt ermöglichen, Fahrende also nur teilweise bzw. zeitweise aus dem System herausgenommen werden. Dadurch wird die Gesamtführung des Fahrzeugs für Fahrende im Ergebnis anspruchsvoller.
3. Automatisierung von Fahrfunktionen und ihre Korrespondenz zur Fahraufgabe
Der Grad der Automatisierung von Fahrfunktionen wird aus technischer Sicht mit verschiedenen Levels beschrieben von Level 0 (manuell), über Level 1 bzw. 2 (assistiert bzw. teilauto-matisiert), Level 3 (hochautomatisiert) und Level 4 (höchst- bzw. vollautomatisiert) bis hin zu Level 5 (autonom)5. Unter automatisierten Fahrfunktionen werden hoch- und höchstautomatisierte Fahrfunktionen verstanden (L3/z.T. L4).
Aus psychologischer Perspektive entsprechen diese Level unterschiedlichen Aufgaben und Anforderungen an Fahrende:
- Level 0: das manuelle Fahren als eine komplexe Aufgabe, bei der die Verkehrsumgebung beobachtet, der Fahrzeugzustand überwacht, die Fahrzeugbedienung wie Längs- und Querführung ausgeführt und das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmender antizipiert werden muss. Dies geht mit vielfältigen Anforderungen an die psychomotorische, kognitive und emotionale Leistungsfähigkeit der Fahrenden einher.
- Level 1/2: Dabei werden Fahrende durch assistierende Fahrfunktionen bei der Fahrzeugbedienung (Längs- und Querführung) unterstützt. Alle anderen Teilaufgaben, z.T. auch die Initiierung der Ausführung der Längs- und Querführung, verbleiben bei den Fahrenden.
- Level 3 / z.T. 4: Die Besonderheit automatisierter Fahrfunktionen besteht darin, dass sich Fahrende währenddessen vom Verkehr ab- und einer fahrfremden Tätigkeit zu-wenden dürfen. Neben der Ausführung werden weitere wesentliche Teilaufgaben, insbesondere die Verkehrsbeobachtung und Antizipation an die automatisierte Fahrfunktion delegiert. Fahrende müssen aber offensichtliche Verkehrsgefahren oder Systemgrenzen automatisierter Fahrfunktionen weiterhin erkennen und darauf sicher reagieren können6. Dadurch wird für Fahrende die Teilaufgabe der Überwachung zur überwiegenden Aufgabe.
- Level 5: bei autonomen Fahrfunktionen übernimmt das Fahrzeug vollständig alle Teile der Fahraufgabe.
Das bedeutet, die technische Auslegung der Automatisierung von keiner bis vollständig (Level 0 bis 5), korrespondiert nicht mit der Aufgabenqualität und -schwierigkeit für Fahrende (von sehr hoch bis zu sehr gering). Stattdessen entsprechen die Level qualitativ unterschiedlichen Aufgaben mit unterschiedlichen Anforderungen an Fahrende7.
Hinzu kommt, dass schon jetzt und in Zukunft noch häufiger Fahrzeuge mit Fahrfunktionen verschiedener Automationsstufen im Straßenverkehr zu finden sein werden (Hybridverkehr). Daher wird eine Fahrt mit einem Fahrzeug in der Regel den mehrfachen Wechsel unterschiedlicher Automationslevel erfordern. Die Fahrfunktionen innerhalb einer Automationsstufe werden sich wegen der Bemühungen der Hersteller um Alleinstellungsmerkmale und Marktabgrenzung ebenfalls nach Bedienlogik, Auslegekriterien, Wirkhorizont und Systemgrenzen unterscheiden. Diese verschiedenen Fahr- bzw. Automationszustände und ihre Anforderungen müssen von Fahrenden verstanden und beherrscht werden, um das Fahrzeug sicher zu führen.
Problematisch sind insbesondere die Fahrfunktionen, bei denen die Systemüberwachung und Übernahme zur überwiegenden Aufgabe der Fahrenden wird (L3, z.T. auch L2 und L4). Kognitive Leistungsfähigkeit und Aktivierungsniveau stehen in einem umgekehrt u-förmigen Zusammenhang (Abb. 1). Die beste kognitive Leistung wird bei einem mittleren Aktivierungsniveau erbracht. Eine geringe oder hohe Aktivierung geht mit geringerer kognitiver Leistungsfähigkeit einher. Die Überwachung von überwiegend korrekt funktionierenden Fahrzeugsystemen ist eine passive Tätigkeit mit wenig Abwechslung und Aktivierung. Derart monotone Aufgaben führen zu Ermüdung und Fehlern bei deren Bewältigung. Die Übernahme der Fahraufgabe durch Fahrende wiederum ist eine komplexe Aufgabe, die mit hoher Aktivierung einhergeht. Fahrende sollen innerhalb kurzer Zeit die Verkehrsumgebung und die Fahrsitua-tion zutreffend erfassen und entsprechend handeln. Allerdings sind sie zu diesem kritischen Zeitpunkt aus dem System herausgenommen (out-of-the-loop), insbesondere, wenn fahrfremde Tätigkeiten ausgeführt werden. Der Überblick über die für die eigenständige Fahrzeugführung erforderlichen Informationen geht verloren (schwindendes sog. „Situationsbe-wusstsein“), was wiederum in langsameren und qualitativ schlechteren Reaktionen resultiert.
Die relevanten Informationen zum Zeitpunkt der Übernahme müssen erst noch generiert werden (Überblicksgewinnung). Übernahmezeiten sind also nicht nur ein abstraktes Problem für den geplanten Wechsel der Fahrlevel. Gerade die nicht geplanten Übernahmen sind in der Forschung als Problemfall beschrieben8.
Abbildung 1: Kognitive Leistungsfähigkeit in Abhängigkeit vom Aktivierungsniveau (Yerkes-Dodson-Gesetz)
Die beschriebene Funktion von Leistung und Aktivierung ist unter dem Begriff „Überforderung durch Unterforderung“ in der „Human-Faktor-Literatur“ hinlänglich bekannt und umfangreich beschrieben9. Hinzu kommen weitere Probleme, die mit zunehmender Automatisierung einhergehen und unter dem Begriff „Ironien der Automatisierung“ zusammengefasst werden. Im Zuge einer Automatisierung kommt es häufig nicht zu einer Reduktion der Fehler, sondern zu neuen Fehlerarten, u.a. durch fehlende aktive Informationssuche, geringeres Situationsbewusstsein, übermäßiges oder mangelndes Vertrauen in die Automation der Nutzenden.
Dazu kommen bisher zu wenig erforschte Aspekte, wie z.B. ungewollte Transfereffekte, die sich darin äußern können, dass die selbst gesteuerte Fahrphase (L0 bis L2) noch von Merkmalen einer vorhergehenden automatisierten Fahrphase (L3 und höher) beeinflusst werden kann. Des Weiteren wurde unlängst eine Studie veröffentlicht, die zeigt, dass auch die Persönlichkeitsstruktur der Fahrenden die Übernahmeleistung mitbestimmen kann. Es wurde beispielsweise ein Persönlichkeitsmuster identifiziert (hohe Aversion gegenüber dem Fahren, geringes Vertrauen, geringe Risikobereitschaft), das mit einer schlechteren Übernahmeleistung einherging10.
4. Voraussetzungen zum Führen eines Kraftfahrzeugs
Rechtlich gesehen darf in Deutschland ein Kraftfahrzeug führen, wer körperlich, geistig und charakterlich geeignet sowie befähigt ist. Sind diese Voraussetzungen gegeben, wird eine Fahrerlaubnis erteilt. Sind sie nicht erfüllt, kann die Fahrerlaubnis entzogen und eine Überprüfung der Fahreignung angeordnet werden. Die konkreten Bestimmungen sind in verschiedenen Gesetzen, Verordnungen und Regelwerken niedergelegt, so z.B. dem Straßenverkehrsgesetz (StVG), der Fahrerlaubnisverordnung (FEV), den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung und den Beurteilungskriterien der Deutschen Gesellschaften für Verkehrspsychologie und Verkehrsmedizin in jeweils aktueller Fassung.
Die Kriterien für die motorisierte Teilnahme am Straßenverkehr sind nach Fahrerlaubnisgrup-pen und Fahrzeugklassen abgestuft. Die Teilnahme am Straßenverkehr als Kraftfahrende soll möglichst vielen Menschen ermöglicht werden und ist nur dann einzuschränken, wenn diese die Mindestausprägungen der definierten Kriterien nicht erfüllen. Gesetz- und Verordnungsgeber hatten bei diesen Normen jedoch nicht die Breite und das Wechselspiel der Automationsgrade, sondern bisher vor allem das manuelle Fahren vor Augen.
4.1. Fahreignung
Unter dem Begriff Fahreignung werden die geistigen, körperlichen und charakterlichen Voraussetzungen, ein Kraftfahrzeug sicher zu führen, zusammengefasst. „Geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat.“ (§2 Abs. 4, StVG). Die Eignung wird dabei als zeitlich weitgehend stabile, von aktuellen Situations- und Befindlichkeitsparametern unabhängige Eigenschaft verstanden. Sie fasst die Vielzahl von körperlichen, geistigen und charakterlichen Voraussetzungen zu einem Konstrukt zusammen. Das Ziel ist eine Prognose darüber, ob von Fahrenden eine Gefahr für den Straßenverkehr ausgeht oder nicht. Daher ist das Eignungskonstrukt vor allem über die möglichen Einschränkungen der Fahreignung definiert.
Beim erstmaligen Erwerb der Fahrerlaubnis der Gruppe 1 (alle FE Klassen bis 3,5t) wird die Fahreignung als gegeben unterstellt. Es erfolgt regelhaft nur eine Überprüfung des Sehvermögens. Darüber hinaus gehende mögliche Einschränkungen der Fahreignung und damit gleichzeitig Anlässe für deren Überprüfung sind in der Fahrerlaubnisverordnung (FEV) Anlage 4 festgeschrieben11. Dies sind „… häufiger vorkommende Erkrankungen und Mängel, die die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen längere Zeit beeinträchtigen oder aufheben können.“ Das sind zum Beispiel Sehstörungen, Suchterkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, psychische Erkrankungen wie z.B. akute Depressionen oder schwere dementielle Erkrankungen. Das bedeutet, dass sich mögliche Einschränkungen der Fahreignung bei Fahrenden der Gruppe 1 im Wesentlichen auf Mängel mit Krankheitswert beziehen. Individuelle Ausprägungen wie z.B. das Ausmaß an Fahrerfahrung, höhere Risikobereitschaft bei z.B. jungen Fahrenden, aber auch nachlassende, nicht-krankhafte Veränderungen der kognitiven Fähigkeiten im Alter, stellen die Fahreignung per se nicht in Frage. Das bedeutet, dass automatisierte Fahrfunktionen so gestaltet sein müssen, dass die gesamte Bandbreite von fahrgeeigneten Personen diese Funktionen auch sicher bedienen können, auf jedem Automatisierungslevel. Die bisherige Studienlage spiegelt diese Anforderung an die Gestaltung automatisierter Fahrfunktionen jedoch nicht wider. Das überrascht angesichts der qualitativen Veränderungen der Fahraufgabe für die Fahrenden im Zuge der Automation und gleich-zeitig dem Anspruch einer möglichst umfassenden Teilhabe am motorisierten Straßenverkehr.
Für Bewerber und Bewerberinnen für die Erteilung/Verlängerung der Fahrerlaubnis Gruppe 2 (FE Klassen über 3,5t und Fahrgastbefördernde inkl. Busfahrende) gelten darüber hinaus gehende Anforderungen. Für Fahrgastbefördernde sind über die körperlichen Anforderungen hinaus insbesondere auch die in der Fahrerlaubnis-Verordnung Anlage 5.2 genannten geistigen Leistungsbereiche relevant12. Diese Leistungsbereiche sind bereits heute, auch ohne automatisierte Fahrfunktionen, reformbedürftig. Die dort genannten Konstrukte (Belastbarkeit, Orientierungsleistung, Konzentrationsleistung, Aufmerksamkeitsleistung und Reaktionsfähigkeit) beschreiben z.T. kognitive Leistungen, die dort nicht klar getrennt werden (z.B. Aufmerksamkeit vs. Konzentration) und z. T. Anforderungen, die vom Verordnungsgeber nicht klar definiert wurden. So bezeichnet „Belastbarkeit“ i. d. R. die Resilienz gegen Stressfaktoren. Bzgl. der Orientierungsleistung ist wiederum nicht deutlich, ob es sich um räumliche, visuelle oder zeitliche Orientierung handeln soll13. Daher bedürfen diese geistigen Leis-tungsvoraussetzungen (inkl. Prüfkriterien und -mittel) einer präziseren, stärker auf wissenschaftlicher Evidenz beruhenden Beschreibung als bisher.
Vor dem Hintergrund automatisierter Fahrfunktionen gilt es bei den geistigen Leistungsbereichen für die Bewerber und Bewerberinnen der Fahrerlaubnisklassen zur Personen- bzw. Fahrgastbeförderung auch neue Perspektiven zu berücksichtigen. Diese Leistungsbereiche sind bisher auf die klassische manuelle Fahraufgabe (L0/L1) bezogen, in welcher Fahrende jederzeit als aktive Operatoren agieren. Die geistigen Anforderungen an überwiegend passiv Überwachende des Systems (L3/z.T. L4) bilden sie noch gar nicht ab. Dazu gehören z.B. die Daueraufmerksamkeit, verschiedene Aspekte des Arbeitsgedächtnisses (z B. die zeitgerechte Informationsverarbeitung und die zuverlässige Integration von Informationen nach Übernahme der Fahrtätigkeit) oder die Umstellfähigkeit (schnelles Erkennen von wechselnden Handlungsanforderungen).
Darüber hinaus ist unter dem Begriff der Fahraufgabe bei der Fahreignung künftig die gesamte Inbetriebnahme des Kraftfahrzeugs mit automatisierten Fahrfunktionen zu begreifen, also nicht nur die Fahrzeugsteuerung und Zuwendung zum Verkehrsgeschehen. Dafür müssen geistige und speziell intellektuelle Voraussetzungen zum Systemverständnis ausgeprägt sein, die das Erkennen von Risiken durch Systemversagen und das fehlerfreie Eingreifen bei Systemausfällen überhaupt erst ermöglichen. Eine wichtige Grundlage für die Weiterentwick-lung des Begriffs Fahreignung ist daher das Konstrukt des mentalen Modells.
Ein mentales Modell beschreibt die Art und Weise wie Informationen, Abläufe und Funktionsweisen von z.B. automatisierten Fahrfunktionen geistig repräsentiert sind. Ein mentales Modell einer automatisieren Fahrfunktion gestattet es Fahrenden, Systemkomponenten und deren Interaktionen zu verstehen und vorherzusagen, wie sich die Funktion infolge verschiedener Einflüsse verhalten wird. Ein mentales Modell ist keine objektive Abbildung der Realität. Das mentale Modell von Nutzenden hängt von ihren Erwartungen und Erfahrungen sowie von der aktuellen Wahrnehmung des Systems und dem Feedback während der Ausführung ab.
Darüber hinaus sind die bestehenden Anforderungen an die charakterliche Eignung weiterhin von Bedeutung, wenn auch möglicherweise in anderer Ausprägung. Dazu gehören die Akzeptanz von Verkehrsregeln, die Akzeptanz von Begrenzungen durch das Fahrzeugsystem oder die eigene Fahrtüchtigkeit14. Die bei automatisierten Fahrfunktionen in großen Tei-len passiv gestaltete Fahraufgabe kann zu nicht regelkonformem Verhalten verleiten15.
4.2. Befähigung
Die zweite Voraussetzung zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeuges ist die Befähigung. Im Rahmen des Fahrerlaubniserwerbs muss die Befähigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs in einer theoretischen und praktischen Prüfung nachgewiesen werden (vgl. § 2 Absatz 2 StVG). Nach § 2 Absatz 5 StVG bedeutet das konkret im Rahmen der Fahrerlaubnisprüfung, dass Bewerbende:
- ausreichende Kenntnisse der für das Führen von Kraftfahrzeugen maßgebenden gesetzlichen Vorschriften nachweisen müssen;
- mit den Gefahren des Straßenverkehrs und den zu ihrer Abwehr erforderlichen Verhaltensweisen vertraut sein müssen;
- die zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeugs, gegebenenfalls mit Anhänger, erforderlichen technischen Kenntnisse besitzen und zu ihrer praktischen Anwendung in der Lage sind und
- über ausreichende Kenntnisse einer umweltbewussten und energiesparenden Fahrweise verfügen und zu ihrer praktischen Anwendung in der Lage sind.
Für die Erlangung der notwendigen Befähigung ist die Ausbildung in einer Fahrschule notwendig. Die konzeptuelle Grundlage für die Prüfung und damit auch für die Ausbildung ist der sogenannte Fahraufgabenkatalog (FAK)16. Das ist eine Sammlung von für den Verkehr prototypischen, von Fahrenden zu bewältigenden, Verkehrssituationen (Fahraufgaben) inklusive der dazu notwendigen Handlungsabläufe (Fahrkompetenzbereiche). Darauf, dass das klassischen Lernkonzept der Fahrkompetenz nicht mehr ausreicht, weil unter Automation z.B. Überwachungs-, Entscheidungs-, Handlungskompetenz in den Blickpunkt rücken, wurde bereits an anderer Stelle vom DVR selbst hingewiesen17.
Die Einführung assistierender Systeme (Level 1 und 2) erfordert bereits heute eine Neujustierung der Fahrausbildung und Fahrerlaubnisprüfung und ist daher zwingend in die Aus- und Fortbildung aufzunehmen. Die UAG Fahrausbildung18 (im Rahmen der AG Recht des Runden Tisches „Automatisiertes Fahren“ des BMDV) trifft konkrete Aussagen zur Einbindung für assistierte und teilautomatisierte Fahrfunktionen in das bestehende Ausbildungs- und Prüfungssystem. Durch die Einführung automatisierter Fahrfunktionen (Level 3) stellt sich diese Herausforderung noch einmal auf einem anderen Niveau.
Fahrerlaubniserwerb und -prüfung bedürfen Kriterien, die eine Befähigung zur Verkehrsteilnahme mit grundsätzlich allen am Markt verfügbaren automatisierten Systemen sicherstellen. Andernfalls müsste über fallweise eingeschränkte Zugangsrechte nachgedacht werden, was einerseits dem Anspruch an umfassender Teilhabe als auch der Praxis von Fahrzeugen mit einer Mischung aus Automationsstufen entgegensteht.
Durch die qualitative Veränderung der Fahraufgabe im Vergleich zum manuellen und assistierten Fahren muss sorgfältig abgewogen werden, welche der neuen Anforderungen überhaupt durch eine Befähigung mittels Fahrausbildung adressierbar sind. Beispielsweise sind die für Überwachungsaufgaben besonders relevanten kognitiven Funktionen wie Vigilanz oder Daueraufmerksamkeit nur sehr eingeschränkt trainierbar, was die Möglichkeiten einer Befähigung durch Fahrausbildung von vornherein stark einschränkt. Hinzu kommt eine weitere „Ironie der Automatisierung“. Die zuverlässigsten Automatisierungssysteme erfordern in der Regel den höchsten Trainingsaufwand. Mangelnde Fahrpraxis führt langfristig dazu, dass bereits erworbene Fähigkeiten und Routinen wieder verlernt werden (Kompetenzverlust). Das ist besonders dann problematisch, wenn Fahrende in komplexen oder gar kritischen Situationen die Fahraufgabe übernehmen sollen.
Im beruflichen Kontext gilt, dass ein Unternehmer Beschäftigte ein maschinell angetriebenes Fahrzeug nur selbständig fahren lassen darf, wenn die Beschäftigten im Führen des Fahrzeugs unterwiesen sind und ihre Befähigung gegenüber dem Unternehmer nachgewiesen haben (§ 35 der DGUV-Vorschrift 70). Aber auch hier fehlen in Bezug auf die Fahrzeugautomatisierung bisher entsprechende Empfehlungen, die dann in die gesetzlich verpflichtende Gefährdungsbeurteilung integriert werden sollten.
5. Gestaltung der „Fahrende-Fahrzeug-Interaktion“
Im Rahmen der AG Forschung des Runden Tisches „Automatisiertes Fahren“ des BMDV wurde, wie einleitend erwähnt, für die Gestaltung der Mensch-Maschine-Schnittstelle umfangreicher Forschungsbedarf identifiziert und verschiedene Forschungsfragen benannt19. Die Sicht auf User-Experience und Mensch-Maschine-Systeme ist allerdings noch sehr ingenieurwissenschaftlich geprägt20. Verkehrspsychologische Expertise findet sich in der Entwicklung und Implementierung der Automation momentan oft erst sehr spät im Entwicklungsprozess.
Durch die qualitativen Veränderungen in der Aufgabenverteilung zwischen Fahrenden und Fahrzeug verändert sich auch die „Fahrende-Fahrzeug-Interaktion“. Psychologische Gesetzmäßigkeiten müssen dabei neu berücksichtigt werden oder gewinnen an Relevanz. Die Debatte um angemessene Übernahmezeiten der Fahraufgabe in Level 3 veranschaulicht die Problematik. Studien21 zeigen, dass bis zu einer vollständigen Orientierung im Verkehrsgeschehen nach der Übernahme der Fahraufgabe 12-15 Sekunden vergehen können, bei vorangegangener fahrfremder Tätigkeit oder Müdigkeit noch weit mehr. Das wurde vor allem am Blickverhalten und der Reaktionsschnelligkeit überprüft, andere Kriterien wie z.B. das Si-tuationsbewusstsein wurde bisher noch nicht in den Fokus gerückt. Ebenfalls nicht berücksichtigt sind zudem die hohen individuellen Schwankungsbreiten zwischen Menschen. Zudem ist die außerplanmäßige Übernahme (zeitkritische Situationen) nicht umfassend erforscht22.
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In erster Linie liegt es in der Verantwortung der Hersteller, sichere und einfach zu bedie-nende Systeme in den Fahrzeugen bereitzustellen. Der Blick in andere Verkehrsbereiche, wie z.B. im Flug- oder Bahnverkehr, zeigt jedoch, wie aufwändig es ist, Überwachungsaufgaben in automatisierten Systemen organisatorisch und technisch abzusichern (z.B. Begrenzung der Zeitdauer der Aufgabe, typenspezifische Weiterbildung, separate Infrastruktur, technische Sicherungssysteme und -redundanzen). Inzwischen wird unter dem Schlagwort „Level 2 plus“ eine vermeintliche Lösung für dieses Problem diskutiert. Bei „Level 2 plus“ hätten Fahrende weiterhin die volle Verantwortung und müssen jederzeit das Fahrzeug im Sinne von Level 2 führen, dürften aber gleichzeitig ausdrücklich die Hände vom Lenkrad nehmen. Hier droht in Verbindung mit Abstandsregeltempomaten und der Spurhalte- und Notbremsfunktion, dass Fahrende sich aus Langeweile von der Fahraufgabe abwenden bzw. müde werden, obwohl sie dies eigentlich nicht dürften23. Technisch wäre das zwar eine Level 2 Fahrfunktion, psychologisch aber eine Level 3 Fahraufgabe. Hier wird die Diskrepanz zwischen technischer und psychologischer Auslegung der Automatisierungsstufen noch einmal sehr deutlich.
Zur Gestaltung der Interaktion zwischen Fahrenden und Fahrzeug gibt es Richtlinien24, die aber assistierende (für das sichere Fahren nicht zwingend erforderliche) Komfortangebote betrachten. Beim automatisierten Fahren sind die für die Fahrzeugführung zwingend relevanten Informationen zu transportieren, die an den Zustand der Fahrenden und des Fahrzeugs angepasst sein müssen. Das bringt eine neue Komplexität mit sich, die höhere Anforderungen an die Gestaltung der Mensch-Maschine-Schnittstelle stellt. Zahlreiche Komponenten müssen für Fahrende nachvollziehbar und widerspruchsfrei integriert werden, um als Sicherungssystem zur Vermeidung von Fahrfehlern, Fehlgebrauch und unerwünschter Verhaltensanpassung zu fungieren. Die Gestaltung und Prüfung sicherheitsrelevanter Fahrfunktionen muss daher nach einheitlichen Kriterien erfolgen. Herstellerspezifische Alleinstellungsmerkmale müssen hier hintenanstehen.
Weitere verhaltensrelevante Fragen sind:
- Wie wird den zunehmend rascheren Systemänderungen (z.B. Updates over-the-air) durch entsprechende Hinweise an Fahrende Rechnung getragen? Und finden diese dann zeitnah Eingang in die Prüfregularien?
- Welche Anforderungen sind generell an die Systemeinweisung zu stellen?
- Wie werden die Verhaltensregeln zum sicheren Autofahren (geeignete Pausen, Sitzhaltung, passive Sicherheitssysteme) sichergestellt, wenn Fahrende zur Übernahme in der Lage bleiben müssen?
- Sind die Kriterien und Prüfmittel zur Zustandserfassung/Übernahmebereitschaft von Fahrenden im verkehrspsychologischen Fachkonsens erarbeitet?
- Ist die wissenschaftliche Nutzung der gesetzlichen Datenspeicherinformationen zu Forschungszwecken diskriminierungsfrei? Kann die Nutzung im Rahmen des Datenschutzes erfolgen?
- Basieren Entwicklung und Sicherheitsbewertung der Systeme auf einem wissenschaftlichen Konsens?
Fazit
Kraftfahrzeuge werden in ihren Angeboten und Anforderungen an ihre Nutzenden komplexer25. Der Umfang digitaler Bedien- und Ablesefunktionen nimmt zu, die Ausstattungsraten mit Assistenzsystemen und Bordcomputern steigen. Mit künftigen automatisierten Systemen wird diese Komplexität weiter zunehmen. Alle Fahr- bzw. Automationszustände und ihre Anforderungen an die Fahrenden – nicht assistiert, assistiert, automatisiert – müssen verstanden und beherrscht werden. Die unverzügliche Übernahme der Fahrzeugführung auf einen untergeordneten Automationszustand muss jederzeit gewährleistet sein (vgl. Fußnote 2). Die Systeme ihrerseits werden sich nach Bedienlogik, Auslegekriterien, Wirkhorizont und Systemgrenzen unterscheiden. Mischverkehre von Fahrzeugen verschiedener Ausstattung und/oder aktivierten Automationsstufen werden häufiger. Die Fahrzeugnutzung erweitert sich von der Bedienung von Fahrzeugen hin zur Bedienung und Überwachung verbauter und mobiler intelligenter Technologien und Applikationen.
Um die zunehmende Fahrzeugautomatisierung im Sinne der Verkehrssicherheit zu gestalten, bedarf es nicht nur technischer, sondern auch verkehrspsychologischer Expertise. Wie in diesem Papier erläutert, betrifft das nicht nur die unmittelbare Fahrzeuggestaltung, sondern auch die weiteren systemischen Komponenten wie die Voraussetzungen zum Führen eines Kraftfahrzeuges (Fahreignung) und die Befähigung. Daher fordert der DVR die Einrichtung einer unabhängigen psychologischen Expertenrunde, mit dem Ziel, die offenen Fragen, die hier lediglich angerissen werden konnten, methodisch zu bündeln und Empfehlungen abzuleiten.
Gez.
Manfred Wirsch
Präsident
1 nach internationaler SAE Klassifikation entspricht dies Level 3 (hochautomatisiert) und 4 (höchst- bzw. vollau-tomatisiert) im Gegensatz zu L0 (manuell), L1 bzw. L2 (assistiert bzw. teilautomatisiert). Unter L5 (autonom) wird der Fahrende zum Fahrgast (rein technisch z.T. auch schon unter L4). In der Einteilung der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) entspricht dies dem autonomen Fahrmodus im Gegensatz zum assistierten und auto-matisierten Modus. Hauptkennzeichen des automatisierten Modus (SAE Level 3 und 4 bzw. automatisierter Modus gemäß BASt) ist die Möglichkeit des Fahrenden, die Fahraufgabe unter bestimmten Voraussetzungen an die automatisierte Fahrfunktion zu übergeben und sich fahrfremden Tätigkeiten zuzuwenden.
2 „Psychologische Anforderungen an die Nutzung automatisierter Fahrfunktionen“. DVR Vorstandsbeschluss vom 16.05.2022
3 Strategie automatisiertes und vernetztes Fahren. AG Forschung. Bericht zum Forschungsbedarf, 2015
4 UDV 2021: eigene Berechnung basierend auf „Verkehr in Zahlen“ und Destatis
5 internationale SAE Klassifikation. Aus Gründen der vereinfachten Darstellung in der Öffentlichkeit plädiert die Bundesan-stalt für Straßenwesen (BASt) für eine Unterscheidung nur zwischen assistiertem (L1, L2), automatisiertem (L3, L4) und au-tonomem (L5) Fahrmodus, insbesondere für die Kommunikation gegenüber den Nutzenden. Teilautomation auf Level 2 (z.B. bereits marktgängige Systeme wie Stauassistenten) definiert somit nur assistiertes Fahren, bei dem sich Fahrende nicht vom Verkehrsgeschehen abwenden dürfen, und für die die Paragrafen 1a und b des StVG nicht gelten.
6 Gemäß § 1b StVG muss der Fahrende „...derart wahrnehmungsbereit bleiben, dass er die Fahrzeugsteuerung unverzüglich wieder übernehmen [kann], wenn das hoch- oder vollautomatisierte System ihn dazu auffordert oder wenn er erkennt oder auf Grund offensichtlicher Umstände erkennen muss, dass die Voraussetzungen für eine bestimmungsgemäße Verwendung der hoch- oder vollautomatisierten Fahrfunktionen nicht mehr vorliegen.“ Das bedeutet, juristisch bleibt der Fahrende stets Fahrender und wird nicht zum Fahrgast. Das betrifft nach geltendem Recht auch Level 4 Fahrfunktionen. Zur Kritik am Be-griff Wahrnehmungsbereitschaft siehe DVR Vorstandsbeschluss „Automatisierte Fahrfunktionen“ vom 08.11.2017.
7 Fastenmeier, W. (2015). Fahrerassistenzsysteme (FAS) und Automatisierung im Fahrzeug – wird daraus eine Erfolgsgeschichte? Zeitschrift für Verkehrssicherheit, 1, 21-27.
8 z.B. Harkin (2021). Einfluss einer Nebentätigkeit auf die Übernahmeleistung während einer hochautomatisierten Fahraufgabe. Masterarbeit. TU Dresden
9 z.B. in Bengler, K. (2015). Grundlegende Zusammenhänge von Automatisierung und Fahrerleistung. Zeitschrift für Verkehrssicherheit, 61(3), 169-173.
10 Voigt, A. (2021). Über den Zusammenhang von differentiellen Persönlichkeitseigenschaften, Vertrauen in Automation und die Übernahmeleistung bei hochautomatisierten Fahrten. Masterarbeit. TU Dresden.
11 vgl. FeV, Anlage 4 und Anlage 5.
12 FeV Anlage 5.2 § 11 Absatz 9, § 48 Absatz 4 und 5. Für Fahrgastbefördernde aktuell § 11 FeV, Abs. 9 in Verbindung mit Anlage 5. Für Fahrende, bei denen wegen bestehender Eignungszweifel eine medizinisch-psychologische Untersuchung angeordnet wurde §11 FeV, Abs 3.
13 z.B. Müller, K. Reimann, C. & Wagner T. (2018). Automatisiertes Fahren – Neue Anforderungen an die Fahreignung? Zeitschrift für Verkehrssicherheit, 64(3), 228 – 238.
14 Fahrtüchtigkeit ist die aktuelle, situationsabhängige Fähigkeit, ein Fahrzeug sicher zu führen, wie z.B. das Fahren in wachem Zustand oder ohne Substanzeinfluss.
15 Es hat sich z.B. gezeigt, dass mehr Automation fahrfremde Aktivitäten begünstigt (z.B. EU L3-Pilot Projekt https://l3pilot.eu).
16 z.B. verbindlich eingeführt für die praktische Fahrerlaubnisprüfung Klasse B mit Wirkung zum 1.1.2021
17 DVR-Beschluss „Fahrerassistenzsysteme und automatisierte Fahrfunktionen in der Fahrausbildung und Fahrerlaubnisprüfung“ vom 28.10.2020
18 Strategie automatisiertes und vernetztes Fahren. Arbeitsgruppe Recht – Unterarbeitsgruppe Fahrausbildung, Abschlussbericht, Mai 2017
19 Strategie automatisiertes und vernetztes Fahren. AG Forschung. Bericht zum Forschungsbedarf, 2015
20 Beispielsweise werden in der UN-R 157 zur Regelung des Automatischen Spurhaltesystem (ALKS) (L3) durchaus Anforderungen an die Übergabe an den Fahrenden gestellt (vor allem an den Aufmerksamkeitsstatus, z.B. durch Kontrolle der Blick-richtung). Diese Kriterien bilden aber den mentalen Rollenwechsel nur unzureichend ab.
21 In experimentellen Studien wurden durchschnittliche Übernahmezeiten identifiziert von beispielsweise 3 bis 5 Sekunden (Gold et al., 2015), 5 bis 10 Sekunden (Petermann-Stock et al. (2013), 12 bis 15 Sekunden (Vogelpohl et al., 2018), bis zu 40 Sekunden (Merat et al., 2014) in Abhängigkeit von der Fahrsituation und vom Fahrerzustand. Das EU-Projekt L3-Pilot offenbarte das Problem längerer Übernahmezeiten ebenfalls (https://l3pilot.eu/).
22 In einer Studie zur Wirkung verschiedener Variablen auf die Übernahmezeiten zeigte sich, dass die Untersuchung von Übernahmesituationen mit und ohne Systemwarnung notwendig und sicherheitsrelevant ist. Außerdem finden offenbar rasch Anpassungseffekte im Sinne einer Erwartungsbildung statt, da selbst die Gruppe ohne Nebenaufgabe nach mehreren erfolgreichen Haltemomenten am Stopp-Schild die fehlerhafte Systemsteuerung erst verspätet beachtete (Harkin,2021). Einfluss einer Nebentätigkeit auf die Übernahmeleistung während einer hochautomatisierten Fahraufgabe. Masterarbeit. TU Dresden).
23 Zur technischen Absicherung werden inzwischen auch Strategien analog L3, wie z.B. Streckenfreigabe und Fahrerzustandsüberwachung, diskutiert.
24 z.B. Europäische Kommission (2008). Empfehlung der Kommission über sichere und effiziente bordeigene Informations- und Kommunikationssysteme: Neufassung des Europäischen Grundsatzkatalogs zur Mensch-Ma-schine-Schnittstelle. Brüssel: Europäische Kommission.
25 vgl. DVR Beschluss „Fahrerassistenzsysteme und automatisierte Fahrfunktionen in der Fahrausbildung und Fahrerlaubnisprüfung“ vom 28.10.2020.